Die Gestaltung von Grafiken gehört als Kernbereich zum Datenjournalismus, steht aber in vielen Projekten an letzter Stelle. Was Journalisten beachten können, um ihre Daten-Storys sinnvoll, sauber und stilvoll zu visualisieren, soll dieser Track zeigen. Dafür geben renommierte Datengestalter einen Einblick in ihre Arbeitsweise: Gregor Aisch (New York Times), Moritz Stefaner (frei u.a. für Zeit Online), Sylke Gruhnwald (NZZ Data) und Benjamin Wiederkehr (Interactive Things).
„Es war ein Bild, das mich nicht mehr losgelassen hat. Es war ein Bild in der Spiegel-Online-Jahreschronik. Darauf zu sehen ist ein Mann, der sich selbst verbrennt. Ich habe es gar nicht fassen können, dass es Menschen gibt, die sich selbst anzünden – um gegen Chinas Tibetpolitik zu protestieren. Als ich mich intensiver damit beschäftigt habe, habe ich eine Statistik gefunden, die besagt, dass sich jede Woche ein Mensch selbst anzündet. Die meisten kommen dabei ums Leben. Bei manchen steht aber auch „unbekannt“ und das bedeutet, dass sie möglicherweise noch am Leben sind. Ich möchte mit diesen Überlebenden sprechen. Ich möchte verstehen, was Menschen antreibt, so etwas zu tun. Deshalb habe ich ein mein erstes Crowdfunding-Projekt konzipiert: „Der flammende Tibeter“.“
Der flammende Tibeter: pauline-tillmann.de/2013/02/der-flammende-tibeter
Der Workshop behandelt die Auskunftsmöglichkeiten, die Journalisten gegenüber Behörden haben, anhand von Beispielen aus der Praxis. Bild-Chefreporter Hans-Wilhelm Saure hat in den zurückliegenden Jahren viele Prozesse mit Behörden geführt, um Auskünfte oder Akteneinsicht zu erlangen. So konnte er den Akten des Bundesnachrichtendienstes entnehmen, dass der Geheimdienst schon 1952 wusste, wo sich der Nazi-Verbrecher Adolf Eichmann aufhielt - acht Jahre, bevor die Israelis ihn in Argentinien aufspürten. Allerdings machte er auch viele ernüchternde Erfahrungen im Streit mit den Ämtern. Es war einer seiner Anträge, den das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zum Anlass nahm, um in einem höchst umstrittenen Urteil den presserechtlichen Auskunftsanspruch gegenüber Bundesbehörden grundsätzlich infrage zu stellen. Gegen diese Entscheidung hat Saure eine Verfassungsbeschwerde angestrengt, über die noch nicht entschieden ist.
Um die Anträge an Behörden gerade für Bürger zu erleichtern, hat der freie Journalist Stefan Wehrmeyer zusammen mit der OpenKnowledgeFoundation das Portal "Frag den Staat" ins Leben gerufen. Die Website, die Musterbriefe liefert und den Auskunftsprozess möglichst transparent macht, muss dabei immer wieder Konflikte mit den Behörden austragen. Das Bundesinnenministerium will dem Portal jetzt die Veröffentlichung von freigegebenem Material unter Berufung auf das Urheberrecht untersagen. Wehrmeyer berichtet somit von Licht und Schatten beim Auskunftsrecht und gibt Tipps für die Antragstellung.
Der NDR-Mitarbeiter und Datenspezialist Sebastian Mondial hat sich die Verpflichtung der Behörden zu nutze gemacht, dass sie Aktenpläne auf jeden Fall herausgeben müssen. Er berichtet von seinen Erfahrungen im Behördendschungel und zeigt auf, wie sich die Pläne als Ideengeber für journalistische Geschichten eignen.
Bei allen drei Praxisbeispielen geht es weniger um die Details des Einzelfalls, sondern stets um die grundsätzlichen Infos über Rechercherechte und die Tipps zum Vorgehen.
Informationen zum Informationsfreiheitsrecht auf der nr-Website: nrch.de/ifg
Nachgehakt – Textsammlung zum Auskunftsrecht: nachgehakt-online.de
Frag den Staat: fragdenstaat.de
In einem Fellowship-Programm hat die Knight-Foundation im Jahr 2013 europaweit Medien und Journalismus-affine Programmierer zusammengebracht. In Deutschland sollten Annabel Church (Zeit Online) und Friedrich Lindenberg (Spiegel Online) den digitalen Wandel in den Newsrooms vorantreiben. Wie haben sie die Medienhäuser erlebt? Was können Journalisten besser machen? (Vortrag und Diskussion auf Englisch.
Mehr über das Programm der Knigth-Foundation: opennews.org/fellowships/
Trotz aller Open-Data-Bemühungen müssen Journalisten ihre Basisdaten in vielen Fällen noch immer selbst zusammenstellen, indem sie die Daten von Webseiten oder aus Dokumenten scrapen. Das geht nicht, ohne zumindest kleinere Programme selbst zu schreiben. Was dabei zu beachten ist, wird hier anhand aktueller Beispiele gezeigt.
Es gilt das Prinzip: „Wir teilen den anderen Redaktionen sofort mit, was wir wissen“, schreibt Griechenlands erfolgreichster Enthüllungsjournalist Tasos Telloglou von der Zeitung Kathimerini. Die anderen sind: Klaus Ott von der Süddeutschen Zeitung und Thomas Knellwolf vom Schweizer Tages-Anzeiger. Auf diese Weise hat das Trio in den vergangenen Jahren immer wieder für eine ganze Reihe von Scoops gesorgt. Angefangen hat es mit der Enthüllung über den Ferrostahl-Skandal (Verkauf von deutschen U-Booten nach Griechenland). Ermittlungen und Verurteilungen in Deutschland führten wiederum zu Ermittlungen und Verurteilungen (u.a. Ex-Verteidigungsminister Tsochatzopoulos) in Griechenland. Zuletzt sorgte das Trio für Schlagzeilen mit ihren Enthüllungen über Machenschaften der Waffenschmiede Krauss-Maffei-Wegmann. Im Gespräch mit nr-Vorsitzenden Oliver Schröm werden Klaus Ott, Thomas Knellwolf und Tasos Telloglou einen Einblick geben, wie man grenzüberschreitende Recherche organisiert, koordiniert und zum gemeinsamen Erfolg führt.
Eine Auswahl der insgesamt über 30 gemeinsamen Geschichten:
Griechische Waffenkäufer legen Schmiergeld in der Schweiz an (tagesanzeiger.ch):
tinyurl.com/ottelloknell
http://www.sueddeutsche.de/politik/geschaefte-mit-griechenlands-regierung-razzia-bei-deutschen-ruestungsfirmen-1.1753716
http://www.sueddeutsche.de/politik/ruestungskonzern-krauss-maffei-wegmann-panzer-und-genossen-1.1968277
http://www.sueddeutsche.de/politik/ruestungkonzern-krauss-maffei-wegmann-spd-politiker-kassierten-bei-panzerdeal-1.1968304
http://www.sueddeutsche.de/politik/schmiergeld-affaere-um-panzerkauf-auf-gute-beziehungen-1.1852207-2
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/schmiergeldzahlungen-bei-ruestungsdeals-mit-die-
hand-aufgehalten-1.1906631
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-ruestungskonzerne-festnahme-in-athen-wegen-bestechungs-affaere-1.1853545
Täglich speichern Journalisten Dutzende Websites und erhalten digitalisierte Informationen wie Mails und Dokumente. Doch wie geht man mit diesen Datenmengen sinnvoll um? Wie hebt man die Informationen auf – für ein Jahr, für fünf oder zehn und mehr? Mit ein paar einfachen Arbeitsweisen kommt man einem „ewigen Archiv“ näher. Zum Beispiel mit Bookmarking, dem Sammeln und Verschlagworten von Lesezeichen. Die Referenten zeigen, welche Angebote es gibt, wo die Grenzen liegen und wie digitale Daten aller Art zukunftssicher aufbewahrt werden können.
Der Blick auf die Welt außerhalb Deutschlands ist männlich geprägt. Nur jeder fünfte Leiter eines Auslandsstudios der ARD ist eine Frau, sowohl beim Fernsehen wie beim Radio. Beim ZDF werden sogar nur drei der 19 Auslandsstudios von Frauen geleitet. Bei Print ist die Situation ähnlich – beim Leitmedium SPIEGEL z.B. ist unter den 15 Auslandskorrespondenten nur eine Frau.
Warum ist das so? Antonia Rados (RTL), Susanne Knaul (Weltreporter), Christoph Reuter (SPIEGEL Beirut) und NDR-Hörfunkdirektor Joachim Knuth diskutieren darüber mit Annette Bruhns (SPIEGEL/ ProQuote). Rados ist seit 36 Jahren Auslandsreporterin. Sie hat in den „Hot Spots“ dieser Welt gearbeitet, von Bagdad bis Tripolis. Knaul, alleinerziehende Mutter, berichtet als freie Print-Korrespondentin seit 25 Jahren aus Israel. Reuter ist ebenfalls seit Jahrzehnten im Nahen Osten unterwegs, in Krisengebieten wie Syrien, Afghanistan, Irak. Zu Knuths Job gehört es, Auslandskorrespondenten auszuwählen und in die Welt zu entsenden.
Die Journalisteninitiative „ProQuote Medien“ hat Ende 2013 den Frauenmangel im Ausland erstmals öffentlich thematisiert. Anlass war, dass der NDR im letzten Herbst gleich fünf Männer auf attraktive Außenposten schickte, nach Brüssel, London, Moskau, Tokio und Neu Delhi. Hörfunkdirektor Knuth begründete die Auswahl gegenüber ProQuote damit, dass viele Kolleginnen aufgrund familiärer Verpflichtungen nicht ins Ausland wollten. Manche Berichtsgebiete würde von Frauen auch wegen der Gefahr gemieden, verlautete der NDR.
Warum aber sind bei den „Weltreportern“ die Hälfte aller Korrespondenten Frauen? Freie Kolleginnen setzen sich im Ausland offenbar genauso gut durch wie Männer – auch mit Familie. Und: Wieso waren im Krisengebiet Ukraine so viele Korrespondentinnen im Einsatz? Neben der bekannten ARD-Frontfrau Golineh Atai tummelte sich dort gut ein Dutzend weitere Reporterinnen. Atai sagt, in der Ukraine sei es sogar „ein Vorteil, Frau zu sein“. Grund: Journalistinnen hätten vielfältigere Zugänge – und seien sicherer vor Übergriffen.
ProQuote befragt Krisenreporterinnen / Golineh Atai: „Es ist ein Vorteil, Frau zu sein“: tinyurl.com/pq-ausld
Karten mit Flugrouten, Windströmungen oder Wahlergebnissen gehören fest zum Datenjournalismus, bergen aber diverse Schwierigkeiten – von der Recherche freier Basiskarten bis zum Hosting der Resultate auf speziellen Servern. Hier geben drei Experten eine Einführung ins Thema, zeigen Lösungen anhand aktueller Beispiele und machen deutlich, welche Daten sich mit Karten vertragen – und welche nicht.
Ein Erfahrungsaustausch von Auslandsfreien über den Niedergang des Korrespondentenjournalismus und neue Finanzierungsmodelle.
Crowdfunding-Projekte wie „Krautreporter“, Netzwerk-Initiativen wie „Hostwriter“ sind innovative Modelle für den Auslandsjournalismus. Sie machen es möglich, Reisen und Recherchen in anderen Ländern anders zu finanzieren als über die schrumpfenden Redaktionsetats. Aber viele freie Auslandskorrespondenten sehen diese Entwicklung kritisch, weil sie fürchten, dass sich so eine Billigkonkurrenz etabliert und Redaktionen preiswert Reportagen von unerfahrenen Kollegen einkaufen.
Schaden sich Auslandsfreie am Ende selbst, wenn sie nach alternativen Geldquellen für ihre Projekte suchen – und damit eine Aufgabe übernehmen, die eigentlich bei den Auftraggebern liegen sollte?
Außerdem diskutieren wir die Selbstorganisation von Auslandsfreien: Welche Netzwerke vertreten ihre Interessen – auch gegenüber Verlagen und Medienanstalten?Täglich haben Redaktionen Zugriff auf hunderte Videos und Fotos aus Krisengebieten. Doch nur selten ist auf Anhieb klar, ob man einer Quelle trauen kann oder ob die Bilder manipuliert wurden. Doch es gibt zahlreiche Möglichkeiten, Fälschungen zu enttarnen. Konrad Weber und Boris Kartheuser zeigen, wie sie Manipulationen aufdecken und verlässliche Quellen aufbauen.
In diesem Workshop zeigen wir Strukturen, die helfen sollen kreative Storytellings zu erarbeiten. Als Referent wird Gregor Aisch durch diesen Workshop führen. Er entwickelt bei der New York Times komplette Konzepte für modern erzählte Geschichte.
Wir fragen uns, in welche Phasen ein modernes Storytelling-Projekt eingeteilt werden sollte? Wie werden die Kernelemente einer Geschichte definiert? Muss ich unterscheiden, ob in meiner Geschichte Daten oder Personen den Schwerpunkt darstellen? Wie finde ich das passende Format für meine Geschichte heraus? Und wie entwickle ich aus diesen Elementen meine Dramaturgie?
„Die globale Finanzkrise begann als amerikanische Immobilienblase. Und jetzt erleben wir eine Immobilienblase. Unsichere Anleger investieren nicht mehr in Aktien, sondern in Häuser und Wohnungen – Betongold. Wenigstens ein bisschen Sicherheit in einer schwankenden Welt. Lange hab’ ich geglaubt, dass hat alles nichts mit mir zu tun. Bis zu jenem Tag, als ich eine Modernisierungsankündigung erhielt.“
Mit diesen knappen Worten eröffnet Katrin Rothe ihren Dokumentarfilm „Betongold – Wie die Finanzkrise in mein Wohnzimmer kam“, bebildert den Anfang aber nicht dokumentarisch, sondern mit einemTrickfilm. Bei „schwankender Welt“ wackelt der Globus, die Autorin selbst liegt als ihre eigene Protagonistin auf dem Sofa, als die Modernisierungsankündigung herein schwebt. Der Trick gibt dem schweren Thema etwas Leichtes - aber er will mehr. Wenn die Maklerin später potentielle Käufer durch die Wohnung führt, wechselt der Film immer wieder vom Dokumentarischen in animierte Szenen. Damit gelingt es Rothe, Situationen festzuhalten, bei denen die Kamera wohl am Widerstand der Maklerin gescheitert wäre oder an der juristischen Gegenwehr des Investors, der bis heute mit allen Mitteln versucht, die Berichterstattung über seine Methoden zu verhindern. Die Animation bringt die Situationen vielleicht sogar besser auf den Punkt, als es die Kamera gekonnt hätte.
Mehr als zwei Jahre begleitet die Regisseurin Katrin Rothe mit der Kamera alle Winkelzüge des Investors, der das Haus gekauft hat: Aus den Mietwohnungen will er luxuriöse Eigentumswohnungen machen. Die alten Mieter sollen vertrieben werden, denn leere Wohnungen verkaufen sich am besten. Diesen Umwandlungsprozess zeigt Rothe, die selber in diesem Haus wohnt, ganz aus ihrer Perspektive als Mieterin. Auch alle Nachbarn wollen zunächst wohnen bleiben und sich gegen Luxussanierung und Verdopplung der Mieten wehren.
Leistet der Trickfilm in bestimmten Situationen mehr, als es die dokumentarischen Aufnahmen vermocht hätten? Und hilft die ganz subjektive Sicht der Betroffenen, die abstrakten, oft kaum nachvollziehbaren Winkelzüge von Immobilienhaien und Maklern sichtbar zu machen? Besser jedenfalls, als es die Erklär-Stücke herkömmlicher Filme mit Hilfe von Graphiken und Schwenks über die Hausfassaden der Verantwortlichen leisten.
Die Marler Jury verlieh der Regisseurin in diesem Jahr für „Betongold“ den Grimme-Preis in Gold. Und bei der Duisburger Filmwoche wurde Katrin Rothe mit dem 3sat-Preis für den besten deutschen Dokumentarfilmpreis 2013 ausgezeichnet.
"Während atemloser 52 Minuten lässt uns die Filmemacherin teilhaben an ihrem Kampf gegen ein Monster", heißt es in der Jurybegründung. "Mit spielerischer Leichtigkeit, umwerfender Selbstironie und einem messerscharfen analytischen Verstand macht sich die Regisseurin daran, einer Maschinerie zu trotzen, die sie zu verschlingen droht. Und dadurch, dass sie uns ganz konkret zeigt, wie frau das macht und, dass man sich wehren kann, macht sie uns Mut, es ihr gleichzutun."
http://www.betongold-der-film.de/
Die Referenten zeigen an konkreten Beispielen, wie vielfältig Geschichten modern erzählt werden können. Hier kann Inspiration für die Darstellungsform der nächsten eigene Geschichte getankt werden. Es sollen die großen aufwändigen Storytellings gezeigt werden und Beispiele für kreative Ansätze, die sich mit wenig Aufwand erzählen lassen. Die Beispiele sollen helfen, kreativer in der Aufbereitung der eigenen Geschichte zu denken. Das Best-Of aus aller Welt soll zeigen, dass Online-Storytellings immer möglich sind. Ob nur schmales Budget vorhanden ist oder ein großes Team bezahlt werden kann, spielt dabei keine Rolle.
Das Verhältnis zwischen Filmemachern und ihren Protagonisten ist die Grundlage für die Realisierung eines dokumentarischen Films. Wie überzeuge ich Protagonisten von der Mitarbeit an meinem Film? Wie gewinne ich ihr Vertrauen? Wie schaffe ich eine tragfähige Beziehung, die eine längere Zusammenarbeit möglich macht, ohne meine Distanz zu verlieren? Oft ist das ein langer und mühsamer Prozess der Annäherung.
Davon kann Stephan Lamby ein Lied singen, der Autor und Produzent vielbeachteter Dokumentationen über Joschka Fischer, Henry Kissinger, Angela Merkel, Peer Steinbrück und Helmut Kohl ist. In diesem Jahr ist Lamby eine Spur tiefer in die Familiengeschichte des Altbundeskanzlers eingetaucht und hat ein Porträt seines ältesten Sohnes produziert: „Walter Kohl – Im Schatten des Vaters“. Als Sohn des über Jahre bedeutendsten deutschen Politikers hat er viel aushalten müssen, hat Neid, Verachtung aber auch Misshandlungen seiner Klassenkameraden erfahren. Und zuhause ging es eigentlich immer nur um den politischen Kampf des Vaters. Jahrelang hat Walter Kohl geschwiegen. Wie hat es Lamby geschafft, dass Walter Kohl bereit war, über sein Trauma zu sprechen: Wie das ist und was es mit einem macht, immer nur der Sohn eines berühmten Vaters zu sein?
Eine noch größere Herausforderung stellte für die Regisseurin Katrin Bühlig ihr Film „Restrisiko – Ein Film über Menschen im Maßregelvollzug“ dar. Denn sie suchte Sexualstraftäter in der Sicherheitsverwahrung der forensischen Psychiatrie auf, die junge Mädchen vergewaltigt und einige sogar ermordet hatten. Was bedeutet es gerade für eine Frau, Sexualtäter nach ihren Straftaten zu befragen? Und – so schwer das auch sein mag – muss man nicht auch zu diesen Männern eine Beziehung aufbauen, wenn man einen Film über sie machen will? Wie ist Katrin Bühlig mit diesem Problem umgegangen? Und was ging ihr durch den Kopf, als ein Protagonist ungerührt erzählt, dass er nicht mehr weiß - „ ich hab´s nicht so mit Zahlen“, wie viele junge Mädchen er umgebracht hat? Gab es Situationen, in denen sie glaubte, nicht weitermachen zu können? Oder waren da auch Momente, in denen sie Verständnis oder gar Mitgefühl für die Täter entwickelte?
Die besprochenen Filme werden am Freitag im Doku-Kino (S3) gezeigt.Acht Prozent Zinsen mit Windrädern – geht das überhaupt? Mit dieser einfachen Frage begannen die beiden „Welt-am-Sonntag“-Reporter Marc Neller und Lars-Marten Nagel Anfang 2013 ihre Recherche zur wirtschaftlichen Situation des Itzehoer Windkraftproduzenten Prokon. Dessen umtriebiger Chef Carsten Rodbertus hatte auf dem grauen Kapitalmarkt mehr als eine Milliarde Euro von deutschen Kleinanlegern eingeworben. Neller und Nagel deckten auf, wie sehr die Werbeversprechen und die Wahrheit bei Prokon auseinanderklafften und wie das Unternehmen permanent versuchte, die tatsächliche Wirtschaftslage zu verschleiern. Sie stießen auf dubiose Geschäfte mit rumänischen Wäldern und Verstrickungen mit der chinesischen Mafia. Prokon reagierte auf die kritischen Berichte mit Klagen und aggressiven Anfeindungen im Internet. Die Geschäftsführung bestritt anfangs die Fakten und musste am Ende doch Insolvenz anmelden. Seitdem bangen 75.000 Anleger um ihr Geld.
Die Verschlossene Auster im Überblick:
Preisträger 2014: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (Laudatio von Georg Mascolo)
Preisträger 2012: Féderation Internationale de Football Association (FIFA) und ihr Präsident Sepp Blatter (Laudatio von Roland Rino Büchel, Schweizer Nationalrat) (Gegenrede, schriftlich, von Walter De Gregorio, Direktor Kommunikation FIFA)
Preisträger 2011: RWE, RnBW, Vattenfall und EON (Laudatio von Heribert Prantl, Süddeutsche Zeitung) (Gegenrede von Dr. Guido Knott, EON)
Preisträger 2010: die Deutsche Bischofskonferenz (Laudatio von Heribert Prantl, Süddeutsche Zeitung) (Gegenrede von Matthias Kopp, Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz)
Preisträger 2009: Bundesverband deutscher Banken (BdB) (Laudatio von Prof. Dr. Rudolf Hickel) (Gegenrede von Prof. Dr. Manfred Weber, Geschäftsführender Vorstand)
Preisträger 2008: Internationales Olympisches Komitee (Laudatio von Andrew Jennings)
Preisträger 2007: Wladimir Putin, Russischer Präsident (Laudatio von Heribert Prantl)
Preisträger 2006: Hartmut Mehdorn, Vorstandsvorsitzender Deutsche Bahn AG (Laudatio von Sonia Mikich)
Preisträger 2005: Gerhard Mayer-Vorfelder, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) (Laudatio von Freddie Röckenhaus)
Preisträger 2004: Hypovereinsbank stellvertretend für fast alle DAX-Unternehmen, die Hörfunk- und TV-Journalisten an einer umfassenden Berichterstattung über ihre Hauptversammlungen hindern und damit die Freiheit der Presse in einem wesentlichen Punkt einschränken (Laudatio von Christoph Arnowski)
Preisträger 2003: Aldi-Konzern (Laudatio von Arno Balzer)
Preisträger 2002: Otto Schily, Bundesinnenminister (Laudatio von Ulrich Kienzle) (Gegenrede von Otto Schily)
Die Datenbank umfasst Hunderttausende Positionen: alle Aufträge, die staatliche Stellen in den USA in den vergangenen Jahren vergeben haben. Steckt irgendwo in diesem Datenwust eine Geschichte, etwas Neues, gar ein Skandal? Jan Strozyk und Bastian Brinkmann erzählen, wie und mit welchen technischen Hilfsmitteln die Recherche-Teams von NDR und SZ fündig wurden. So entstanden Artikel über die Aktivitäten privater Geheimdienstfirmen in Deutschland und die Forschungsaufträge des Pentagons an deutschen Universitäten.
Medien kritisieren alle und jedes unerbittlich, nur wenn es um sie selbst geht, werden sie eigentümlich stumm und vertragen keinerlei Kritik, lautet ein gängiges (Vor?)Urteil. Medienjournalismus könnte daran etwas ändern, ist bei den etablierten Adressen aber in den vergangenen Jahren ins Hintertreffen geraten: Bei den klassischen Zeitung regiert der Sparzwang, und die angstbesetzten öffentlich-rechtlichen Sender tun sich mit kritischer Beobachtung vor allem des eigenen Systems traditionell schwer. Dafür haben unabhängige Watchdogs, Blogger und Kolumnisten Konjunktur. Doch ist die Medienkritik angesichts der Veränderungen und Herausforderungen in ihrem immer breiter werdenden Berichterstattungsgebiet noch auf der Höhe der Zeit? Welche Rolle spielten institutionelle Rücksichtnahme und/oder eigene Interessen? Welchen Einfluss hat sie – und bei wem?
Happy Birthday, Bildblog! bildblog.de/58026/happy-birthday-bildblog
In den USA boomt der gemeinnütziger Journalismus. In den vergangenen Jahren sind dutzende Recherchebüros gegründet worden. Vom großen Newsroom ProPublica bis zur lokalen Investigative Post in Buffalo gibt es etliche Modelle. Sie arbeiten an spannenden, oft investigativen Themen, publizieren im Netz und werden vor allem durch Spenden finanziert.
Das besondere daran: weil sie gemeinnützig sind, können sie Spenden annehmen und Zuwendungen an die Büros sind von den Steuern absetzbar. So wird privates Geld mobilisiert.
Die Folgen sind beachtlich: Die Redaktionen haben keinen Verlagsmanager im Nacken, der vor allem Profit sehen will. Sie können kritisch berichten – ohne Rücksicht auf Anzeigenkunden, Verlegerfilz und Medienagenda. Ihre Unabhängigkeit ermöglicht Nonprofit-Redaktionen, Themen anzupacken, die sonst im Mainstream untergehen würden.
Wir wollen darüber diskutieren, ob gemeinnütziger Journalismus einer von vielen Wegen für Deutschland wäre, die Medienkrise zu überwinden.
Denn für gemeinnützig arbeitende Journalisten reicht es nicht, Agenturmeldungen umzuschreiben und Klickmonster zu produzieren. Ihre Geschichten müssen so gut sein, dass die Leser dafür gerne Geld geben. Gemeinnützigkeit kann den Journalismus verändern.
Aber leider kann Journalismus in Deutschland momentan nicht gemeinnützig sein. Denn er ist nicht durch die Abgabenordnung als Aufgabe für den Staat anerkannt. Wir stellen deshalb die Frage: Warum sind in Deutschland der Verbraucherschutz oder die Sportförderung gemeinnützig – guter Journalismus aber nicht?
Thomas Nückel von der FDP hat für sich eine Antwort gefunden. Er will die Abgabenordnung nun ändern. Er hat deswegen eine entsprechende Gesetzesinitiative in den NRW-Landtag eingebracht. Sein Ziel: die Landesregierung NRW soll über den Bundesrat die Abgabenordnung entsprechend anpassen.
Mit ihm zusammen werden Tabea Rößner, Medienpolitische Sprecherin der Grünen Bundestagsfraktion, und Ines Pohl, Chefredakteurin der taz diskutieren.
Wo sind die Schwierigkeiten für gemeinnützigen Journalismus, wo die Chancen.
Das Format ist offen; das Publikum und die Pressevertreter sind eingeladen mitzudiskutieren.
Das deutsche Gesundheitswesen ist ein Interessendschungel. Mächtige Akteure verhandeln hinter verschlossenen Türen über die Qualität und die Kosten der Krankenversorgung. Medical-Data-Driven-Journalism kann helfen, einen unabhängigen und Empirie-gestützten Journalismus zu ermöglichen. Mit diesem Ziel hat Volker Stollorz zusammen mit dem Heidelberger Institut für Theoretische Studien in Heidelberg ein Recherchetool für Journalisten im Gesundheitswesen entwickelt. Der OperationsExplorer erlaubt es auffällige Muster der Krankenhausversorgung zu erkennen, auf einer Deutschlandkarte für alle Kreise und kreisfreie Städte können alle verfügbaren Diagnosen, Operationen und Prozeduren der stationären Krankenhausversorgung visualisiert werden. Eigene Recherchen in jährlich 18 Millionen Behandlungsfällen werden möglich, Journalisten können den Ursachen regionaler oder zeitlicher Trends der Versorgung nachspüren. Im Sommer 2014 soll der OperationsExplorer online gehen. Der Workshop stellt das neue Werkzeug vor und diskutiert mögliche Weiterentwicklungen.
Mother Jones (abgekürzt MoJo) ist eines der erfolgreichsten Magazine in den USA. Herausgegeben wird es von der Foundation for National Progress in San Francisco, geleitet wird es seit 2006 von Clara Jeffrey und der Deutschen Monika Bäuerlein. Beide hatten sich in zuvor mit investigativen Berichten für Mother Jones einen Namen gemacht.
Das investigative Magazin, benannt nach der Gewerkschafterin Mary Harris Jones („Mother Jones“), wurde im Februar 1976 gegründet, erscheint alle zwei Monate und hat seit November 1993 einen Internetauftritt.
Mit Enthüllungen von Umwelt- oder Politikskandalen machte Mother Jones in den vergangenen Jahren immer wieder von sich Reden. Um diese Art von Geschichten veröffentlichen zu können, haben die Chefredakteurinnen Bäuerlein und Jeffrey ein investigatives Team aus erfahrenen und jungen Reportern aufgebaut, um somit klassische investigative Recherche mit webbasierten Datenbankrecherchen zu verknüpfen lassen.
Die aufwendig recherchierten Geschichten erscheinen sowohl im Print als auch Online (MotherJones.com). Der Print- und Digitalnewsroom finanziert sich durch Abos (200.000 Auflage), Werbung und Spenden. Mit seinen breit gestreuten Einnahmequellen zeigt Mother Jones wie man auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten qualitativ hochwertigen und investigativen Journalismus finanziert bekommt. Taugt das Finanzierungsmodell von Mother Jones etwa auch als Vorbild für investigative Projekte in Deutschland?
Um sich für die Veranstaltung anzumelden, bitte anmelden bzw. einloggen und „Hinzufügen zu Programm“ anklicken.
Spätestens mit den Enthüllungen von Edward Snowden sollte nicht nur Journalisten klar geworden sein, wie wichtig das Verschlüsseln von Emails ist. Dennoch schrecken viele Nutzer davor zurück, weil sie unsicher im Umgang mit den verschiedenen Programmen sind. Dafür gibt es die Cryptoparty. Hier bekommen die Teilnehmer beigebracht, wie sie ihre Mails künftig einfach und sicher verschlüsseln können. Für die Teilnahme sind keinerlei Vorkenntnisse nötig, auch Anfänger sind herzlich willkommen. Bitte ein eigenes Laptop mitbringen. Das Betriebssystem spielt keine Rolle.
Was datenjournalistische Projekte bewegen können, ist auch in deutschen Medienhäusern mittlerweile angekommen. Trotzdem leidet der Bereich noch immer unter Anlaufschwierigkeiten. Warum ist das so? Und welche Strategien helfen? Diese Fragen sollen hier diskutiert werden – mit Perspektiven aus den Medien, aus freien Agenturen und der Ausbildung.
Bin ich krank? Christian Deker, schwul und Panorama-Reporter, besucht in einem Selbstversuch Ärzte, die Homosexualität als Störung betrachten und ihn deshalb therapieren wollen. Die Mediziner, die sich in strenggläubigen christlichen Kreisen bewegen, schlagen ihm Behandlungen vor, die seine sexuelle Orientierung von homo- zu heterosexuell verändern sollen. Dabei sind solche Umpolungsverfahren nicht nur unwirksam, sondern können sich sogar negativ auf die Gesundheit auswirken, warnen Weltärztebund und Bundesärztekammer. Dennoch versuchen diese Ärzte, solche Verfahren offenbar sogar über die Krankenkassen abzurechnen. Nach seinen Arztbesuchen erhält der Reporter Abrechnungen der Mediziner zur Weiterleitung an die private Krankenkasse. Darin diagnostizieren die Mediziner eine „psychische Störung“ oder eine „lebensverändernde Erkrankung“.
Der Film thematisiert auch die Diskriminierung Homosexueller in anderen gesellschaftlichen Bereichen. In der Bundesrepublik Deutschland wurden bis 1969 zehntausende Schwule zu Haftstrafen verurteilt, weil man ihre sexuelle Orientierung als „unzüchtig“ kriminalisierte. Die Urteile sind bis heute rechtskräftig. In einem anderen Beispiel zeigt das Autorenteam, wie Schwule auch im Jahr 2014 kein Knochenmark spenden dürfen, um todkranken Menschen zu helfen. Schwule seien im Vergleich zu Heterosexuellen statistisch häufiger mit Infektionskrankheiten wie HIV infiziert. Damit werden pauschal auch alle gesunden Schwulen ausgeschlossen.
Eine Reise in die letzten homophoben Winkel der Republik.
Weitere Informationen zur Reportage: tinyurl.com/o7opwjf